Verborgenes Wissen in der Edda

Wo soll ich anfangen? Die Edda ist eine Sammlung von Heldenliedern, Göttersagen und Spruchweisheiten der Nordischen Mythologie. Wenn wir heute von der Edda sprechen, meinen wir meist den Sammelband der älteren und der jüngeren Edda in einem Buch. Die ältere Edda war bereits mindestens 400 Jahre alt, als sie im Jahre 1643 dem isländischen Bischof übergeben und von diesem zum König von Dänemark geschickt worden war. Bis auf wenige fehlende Seiten war sie gut erhalten. Der dänische König Frederik nannte die Sammlung Codex Regius.

Ein Grund dafür, warum so wenige von uns spirituell Interessierten sich mit der eigenen, germanischen Mythologie beschäftigen, ist neben dem offensichtlichen Grund, namentlich der verklärten Nazi-Ideologie auch jener, dass man uns von Kindesbeinen an eingebläut hat, es handele sich hier lediglich um nette Geschichten, die man sich zum Zeitvertreib erzählt hat. In unserer heutigen Gesellschaft herrschen zumindest in der westlichen Welt zwei große Lager: Die Christen und die Atheisten. Die einen verteufeln die heidnischen Vorstellungen, die anderen belächeln sie.

Dem isländischen Gelehrten Snorri Sturlussen (1179 bis 1241), der im 13. Jahrhundert für den norwegischen König Hakon Hakonarson die Norwegischen Königssagen verfasste, haben wir es zu verdanken, dass das Wissen um die Dichtung der damaligen Zeit bewahrt werden konnte. Snorri zeigt auf, dass die Sprache der alten Völker voll von dichterischen Parabeln (Gleichnissen) steckte. Snorri lebte zu einer Zeit, in welcher die Fähigkeit der Deutung der alten Dichtkunst aus der Erinnerung des Volkes zu schwinden begonnen hatte. Kaum jemand wusste die Metaphern der altnordischen Dichtung noch zu interpretieren. Zitat: „Ich schrieb dieses Buch, damit junge Studenten der Dichtkunst das verstehen können, welches in Runen verborgen liegt“.

Sein Lehrbuch für Skalden (altnordische Bezeichnung für Dichter) teilt sich in 3 Teile, wobei die ersten beiden Teile den Fokus auf die Metaphern und Interpretationen alter Mythen und Sagen legt. Zusammenfassend sprechen wir also von der älteren Edda und meinen jene Sammlung alter Heldenlieder, Göttersagen und Spruchweisheiten, die wahrscheinlich zum ersten mal von Mönchen im 13. Jahrhundert gesammelt und aufgeschrieben worden waren, dann für 400 Jahre im Verborgenen gehalten wurden und im 17. Jahrhundert wieder aufgetaucht sind, während die jüngere Edda, Snorri Sturlussens Buch über die Interpretation alter nordischer Dichtkunst ist. EdelsteinThorhammer

Nach dieser kurzen Einführung möchte ich gern anhand eines Beispiels aufzeigen, was wir erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennen (oder gar auf den vierten, denn die Regeln der Dichtkunst gehen bis in die vierte Ebene hinein). Es war einmal vor vielen Jahren…da diskutierte ich in einem Forum mit Gleichgesinnten über die Götter, zu denen wir eine besondere Verbindung spüren…als ich mit dem germanischen Baldur um die Ecke kam, erntete ich Gelächter (in Form von augenverdrehenden Smileys!) und Worte wie „Ausgerechnet Baldur! Der Blondgelockte Schönling!“ Es sollten Jahre vergehen, bis ich herausfand, warum „ausgerechnet Baldur“…

In der Edda erfahren wir, dass Baldur der Sohn Odins und seiner Frau Frigg ist. Was bedeuten diese Namen? Odin ist jener Gott, der den Menschen sowohl den Atem, die Dichtkunst, als auch den Wissensdurst geschenkt hat. Er ist verheiratet mit Frigg, der, „die alles weiss, aber nicht spricht“. Aus dieser Verbindung geht Baldur hervor, der „strahlende“, englisch „bold“ = tapfer. Sein Palast steht in Breidablik, was soviel bedeutet wie Weitblick. Wenden wir Snorris Wissen um die Interpreation altnordischer Dichtkunst an, so erkennen wir, dass Baldur als Sohn von Odin und Frigg für eine mutige, weltoffene Einstellung und das Lichte und Gute steht. Daran kann ich erstmal nicht schlechtes finden 😉

Doch Baldur stirbt durch die Hand seines blinden Bruders Hödur (Ignoranz und blinde Aggression), angestiftet wurde Hödur von Loki (der Leidenschaft in ihrem dunklen Aspekt). Dieses Ereignis ist der Anfang vom Ende und wird zu Ragnarök, dem Ende der Welt führen. Nach Ragnarök, so geht die Sage, wird Baldur wieder auferstehen. Allein die Geschichte um „Balders Drauma“ ist voll von Metaphern und Parabeln und ich weiss nicht, wie es euch geht, aber für mich ergeben sie Sinn. Einen tiefen Sinn, der sich mit einem animistischen Weltbild absolut vereinbaren läßt. Will ich mich mit Odin verbinden, höre ich auf meinen Atem, den Wind oder hauche Texten Leben ein. Will ich dasselbe mit Baldur tun, übe ich mich in Toleranz und Weltoffenheit und gehe mutig meinen Weg, alles helle, manchmal einfach das Licht selbst, ist Baldur.

Das hier war nur ein kleines Beispiel, ein einfaches für den Anfang. Etwas, auf das man so nebenbei stößt, wenn man recherchiert, alt-isländisch lernt und auf das eigene Bauchgefühl hört. Es ist auch als Ermutigung gedacht für jene, denen manchmal die Fakten oder die Worte fehlen und die doch innerlich fühlen, dass das, woran sie glauben, wichtig und wertvoll ist. In diesem Sinne – startet gut in die Woche 🙂