Feenhügel und die dunklen Kräfte des Winters

„I’ve bathed in sunshine
But cherished the fading light
And I heard my heartbeat faulter
On a winter’s night“ No Tears – James Blunt

Die dunklen Kräfte des Winters, sie warten im Verborgenen. Der Reisende Sigvatr Þórðarson beschreit ein Ritual aus dem Jahre 1018 zu ihrer Besänftigung, welches noch über der hohen Gastfreundschaft stand. Auf mehreren Höfen bat er um Einlass und Quartier für die Nacht, doch die Frauen des Hauses, die das Ritual leiteten, wiesen ihn ab. Es war das alfablót – das Opfer an die Elfen. In der nordischen Mythologie sind die Elfen sowohl Naturgeister, als auch Ahnengeister und es galt, sie während der dunklen Jahreszeit durch Opfergaben zu beschwichtigen.

Der eisige Atem der keltischen Göttin  Cailleach friert im Winter das Leben ein.

Wer schon einmal bei Nacht im Wald war, der weiss um die Bedeutung von Finsternis.  Man sieht die eigene Hand vor Augen nicht. Um einen herum erwachen die Schatten  zum Leben und eine Gänsehaut läuft den Rücken hinunter. Die Kräfte des Winters warten dicht unter dem dünnen Eis, das die Seen und Moore bedeckt (komm, es wird halten..) und sie schauen uns aus dem dunkelgrünen Efeu entgegen, welches die Bäume umrankt und manchmal auch erwürgt (iss mich, iss mich…ein Blatt schadet nicht)Dort wachsen die Stämme seltsam verdreht, oft sind unterirdische Wasseradern und Erdstrahlen die Ursache, Störzonen, die man mit Wünschelruten finden kann. 

Ausgerechnet Pflanzen aus solchen Störzonen kommen bei gesundheitlichen Problemen zum Einatz, wenn die Ursache sprichwörtlich im Dunkeln liegt. Ich habe ein Blättchen vom Efeu probiert, intuitiv (und impulsiv, ähm…), und hatte das Gefühl, einen leichten Reiz im Hals zu spüren. Ich kannte die Wirkung gegen Entzündungen der Atemwege, aber die homöopatische Anwendung fand ich noch interessanter. Man könnte sagen, das Mittel hilft bei Problemen des Bewegungsapparates, bei Steifheit und Schmerzen – wenn man sich fühlt, als wäre man im unnachgiebigen Griff dieser heimischen Lianenart! 

An solchen Orten sollten Menschen nicht zu lange verweilen, denn sie können krank machen. Man spürt, wie abweisend solche Plätze sind. Einen solchen „Spukort“ haben wir vor einiger Zeit besucht. Am Rande der Leucht, einem Waldgebiet zwischen Kamp-Lintfort und Alpen, findet man die Überreste von Hügelgräbern aus der Zeit der Becherkultur, ca. 2800 bis 2200 vor Christus. Je näher man diesen Hügelgräbern kommt, desto mehr Efeu umrankt die Bäume, desto bizarrer wird ihr Wuchs und desto mehr verstummt der Gesang der Vögel, bis es beinahe völlig windstill wird.

Wenn die Menschen vergangener Tage Rat bei ihren Vorfahren suchten, übernachteten sie manchmal auf den Hügelgräbern und hofften auf Eingebungen von der anderen Seite. Sie maßen ihren Träumen in solchen Nächten große Bedeutung bei. Begleitet von der Angst vor Widergängern harrten sie aus, bis das erste Licht des Morgens die Welt aus dem angstvollen Griff der Nacht befreite.

Hügelgrab in der Leucht

In Irland, wo der Feenglaube (nein, nicht Tinkerbell) noch lebendig ist, erzählt man sich die Geschichte der Sidhe (gesprochen Schie), einem Feenvolk, welches sich einst in die Hügel zurück gezogen hatte. Auf der grünen Insel ist einiges mehr an Wissen aus dem keltischen Kulturkreis übrig geblieben, als hier auf dem Festland, da dort die Christianisierung relativ friedvoll vonstatten ging. Heute sind sich Wissenschafter jedoch  einig darüber, dass viele der Bräuche und Rituale vom Festland hinüber gewandert waren und zu einem gewissen Teil auch das verlorene Wissen von Mitteleuropa beinhalten.

Mmmhh, das klingt doch mal nach einem Ort für eine Kräuterführung mit Schwerpunkt Mythologie 😉 Ich werde in diesem Jahr neben 2 Schreibprojekten auch wieder Kräuterführungen anbieten und freue mich schon darauf, euch persönlich oder hoffentlich ganz bald durch den Zauber des geschriebenen Wortes mit zu nehmen an verwunschene Orte. Und vielleicht inspiriert euch diese Beschäftigung mit Pflanzen und Mythen so, dass ihr euren eigenen Wohnort und eure Umgebung auf ähnliche Weise erkundet.

Quellen:

Emma Wilby „Cunning folk and familiar spirits“

Maria Kvilhaug „The old norse Halloween or Day of the Dead“ http://www.ladyofthelabyrinth.com

Paul Herrmann „Nordische Mythologie“

http://www.praehistorische-archaeologie.de

Margret Madejsky, Olaf Rippe „Heilmittel der Sonne“

 

 

Sternschnuppen – Goldregen

Jedes Jahr um diese Zeit kreuzen wir auf unserer Umlaufbahn die Überreste des Kometen 109P/Swift Tuttle und seine Gesteinsbrocken verglühen in unserer Atmosphäre. In der Nacht vom 12. auf den 13. August erreichen die Perseiden Schauer in diesem Jahr ihren Höhepunkt mit bis zu 200 Sternschnuppen pro Stunde. Praktisch, dass dies von Freitag auf Samstag der Fall sein soll 🙂 Zwischen 00:00 Uhr und 03:00 Uhr früh können wir uns alle eine Menge wünschen!

Die Perseiden gelten als die Nachkommen des Perseus, einem Sohn des Zeus. Er wurde durch einen Goldregen gezeugt, nachdem sein menschlicher Großvater Akrisios, der König von Agros, seine Mutter in ein Verlies hatte sperren lassen. Das Orakel hatte dem alten Mann prophezeit, dass er durch die Hand seines Enkels sterben würde. Nach Perseus Geburt setzte Akrisios Tochter und Enkel auf offener See aus, doch beide wurden gerettet. Im weiteren Verlauf der Geschichte muss Perseus schließlich Medusa besiegen, welche allein durch ihren Blick jeden in Stein verwandelt.

The Wild Unknown Tarot 2nd edition

The Wild Unknown Tarot 2nd edition

Gut, dass der Junge überlebt hat – so können wir uns am Anblick seiner Nachkommen, einem neuen Goldregen, erfreuen! Doch woher kommt eigentlich die Vorstellung, dass Sternschnuppen Glück bringen und Wünsche in Erfüllung gehen lassen? Und ist diese Vorstellung überall verbreitet? Leider nein. In einigen Teilen der Welt gelten Sternschnuppen als Unglück. In der Mongolei bspw. deutet man sie als Seelen der Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits und man befürchtet wohl, durch diese Sichtung mitgerissen zu werden. Auch gibt es die Vorstellung, dass Sternschnuppen die Fackeln böser Geister darstellen, welche des Nachts Jagd auf Menschen machen.

Leider ist bisher nicht bekannt, warum in unserem Teil der Welt eine gefallener Stern als Glücksbringer gilt. Ich meine, ausgerechnet ein „gefallener Stern“…„Wie bistu vom Himel gefallen / du schöner Morgenstern? Wie bistu zur Erden gefellet / der du die Heiden schwechtest? Gedachtest du doch in deinem hertzen / Jch wil in den Himel steigen / vnd meinen Stuel vber die sterne Gottes erhöhen. Jch wil mich setzen auff den berg des Stiffts / an der seiten gegen mitternacht. Jch wil vber die hohen wolcken faren vnd gleich sein dem Allerhöhesten. Ja zur Hellen ferestu / zur seiten der Gruben.“ Lutherübersetzung 1545

Auf einen Berg will ich mich auch setzen, um die Sternschnuppen zu beobachten. Auf den „Blocksberg“ oder einen anderen, alten und verlassenen Berg. Fernab vom künstlichen Licht der Städte, in der Einsamkeit und Stille der Nacht. Vielleicht tut´s auch die Halde Norddeutschand mit ihrer Himmeltreppe 😉 Ich denke ja angestrengt über Führungen um Mitternacht nach…Vollmond Führungen und Mythologieführungen…die jeweiligen Sternbilder und ihre Geschichten. Warum sollte ich mich an einen „normalen“ Tag/Nacht/Arbeitsrhythmus halten?! Mal sehen, wie viele meiner momentanen Ideen letztendlich den Sprung in die Realität schaffen.

Wer die Perseiden im August verpasst, hat aber auch zu anderen Zeiten im Jahr noch die Chance, sich einen Wunsch erfüllen zu lassen, nämlich, wenn die Leoniden im November, die Geminiden im Dezember, die Quadrantiden im Januar und die Lyriden im April vom Himmel herab regnen 🙂 Ich wünsche euch allen einen klaren Nachthimmel und mehr Sterne, als ihr in einem Leben zählen könnt!

 

Verborgenes Wissen in der Edda

Wo soll ich anfangen? Die Edda ist eine Sammlung von Heldenliedern, Göttersagen und Spruchweisheiten der Nordischen Mythologie. Wenn wir heute von der Edda sprechen, meinen wir meist den Sammelband der älteren und der jüngeren Edda in einem Buch. Die ältere Edda war bereits mindestens 400 Jahre alt, als sie im Jahre 1643 dem isländischen Bischof übergeben und von diesem zum König von Dänemark geschickt worden war. Bis auf wenige fehlende Seiten war sie gut erhalten. Der dänische König Frederik nannte die Sammlung Codex Regius.

Ein Grund dafür, warum so wenige von uns spirituell Interessierten sich mit der eigenen, germanischen Mythologie beschäftigen, ist neben dem offensichtlichen Grund, namentlich der verklärten Nazi-Ideologie auch jener, dass man uns von Kindesbeinen an eingebläut hat, es handele sich hier lediglich um nette Geschichten, die man sich zum Zeitvertreib erzählt hat. In unserer heutigen Gesellschaft herrschen zumindest in der westlichen Welt zwei große Lager: Die Christen und die Atheisten. Die einen verteufeln die heidnischen Vorstellungen, die anderen belächeln sie.

Dem isländischen Gelehrten Snorri Sturlussen (1179 bis 1241), der im 13. Jahrhundert für den norwegischen König Hakon Hakonarson die Norwegischen Königssagen verfasste, haben wir es zu verdanken, dass das Wissen um die Dichtung der damaligen Zeit bewahrt werden konnte. Snorri zeigt auf, dass die Sprache der alten Völker voll von dichterischen Parabeln (Gleichnissen) steckte. Snorri lebte zu einer Zeit, in welcher die Fähigkeit der Deutung der alten Dichtkunst aus der Erinnerung des Volkes zu schwinden begonnen hatte. Kaum jemand wusste die Metaphern der altnordischen Dichtung noch zu interpretieren. Zitat: „Ich schrieb dieses Buch, damit junge Studenten der Dichtkunst das verstehen können, welches in Runen verborgen liegt“.

Sein Lehrbuch für Skalden (altnordische Bezeichnung für Dichter) teilt sich in 3 Teile, wobei die ersten beiden Teile den Fokus auf die Metaphern und Interpretationen alter Mythen und Sagen legt. Zusammenfassend sprechen wir also von der älteren Edda und meinen jene Sammlung alter Heldenlieder, Göttersagen und Spruchweisheiten, die wahrscheinlich zum ersten mal von Mönchen im 13. Jahrhundert gesammelt und aufgeschrieben worden waren, dann für 400 Jahre im Verborgenen gehalten wurden und im 17. Jahrhundert wieder aufgetaucht sind, während die jüngere Edda, Snorri Sturlussens Buch über die Interpretation alter nordischer Dichtkunst ist. EdelsteinThorhammer

Nach dieser kurzen Einführung möchte ich gern anhand eines Beispiels aufzeigen, was wir erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennen (oder gar auf den vierten, denn die Regeln der Dichtkunst gehen bis in die vierte Ebene hinein). Es war einmal vor vielen Jahren…da diskutierte ich in einem Forum mit Gleichgesinnten über die Götter, zu denen wir eine besondere Verbindung spüren…als ich mit dem germanischen Baldur um die Ecke kam, erntete ich Gelächter (in Form von augenverdrehenden Smileys!) und Worte wie „Ausgerechnet Baldur! Der Blondgelockte Schönling!“ Es sollten Jahre vergehen, bis ich herausfand, warum „ausgerechnet Baldur“…

In der Edda erfahren wir, dass Baldur der Sohn Odins und seiner Frau Frigg ist. Was bedeuten diese Namen? Odin ist jener Gott, der den Menschen sowohl den Atem, die Dichtkunst, als auch den Wissensdurst geschenkt hat. Er ist verheiratet mit Frigg, der, „die alles weiss, aber nicht spricht“. Aus dieser Verbindung geht Baldur hervor, der „strahlende“, englisch „bold“ = tapfer. Sein Palast steht in Breidablik, was soviel bedeutet wie Weitblick. Wenden wir Snorris Wissen um die Interpreation altnordischer Dichtkunst an, so erkennen wir, dass Baldur als Sohn von Odin und Frigg für eine mutige, weltoffene Einstellung und das Lichte und Gute steht. Daran kann ich erstmal nicht schlechtes finden 😉

Doch Baldur stirbt durch die Hand seines blinden Bruders Hödur (Ignoranz und blinde Aggression), angestiftet wurde Hödur von Loki (der Leidenschaft in ihrem dunklen Aspekt). Dieses Ereignis ist der Anfang vom Ende und wird zu Ragnarök, dem Ende der Welt führen. Nach Ragnarök, so geht die Sage, wird Baldur wieder auferstehen. Allein die Geschichte um „Balders Drauma“ ist voll von Metaphern und Parabeln und ich weiss nicht, wie es euch geht, aber für mich ergeben sie Sinn. Einen tiefen Sinn, der sich mit einem animistischen Weltbild absolut vereinbaren läßt. Will ich mich mit Odin verbinden, höre ich auf meinen Atem, den Wind oder hauche Texten Leben ein. Will ich dasselbe mit Baldur tun, übe ich mich in Toleranz und Weltoffenheit und gehe mutig meinen Weg, alles helle, manchmal einfach das Licht selbst, ist Baldur.

Das hier war nur ein kleines Beispiel, ein einfaches für den Anfang. Etwas, auf das man so nebenbei stößt, wenn man recherchiert, alt-isländisch lernt und auf das eigene Bauchgefühl hört. Es ist auch als Ermutigung gedacht für jene, denen manchmal die Fakten oder die Worte fehlen und die doch innerlich fühlen, dass das, woran sie glauben, wichtig und wertvoll ist. In diesem Sinne – startet gut in die Woche 🙂

 

Von Wiedergängern & Wechselbälgern – Ein Halloween Post

Am Sonntag hatte ich meine Kräuterführung zum Thema Ahnenzeit. Schwerpunkt waren die Ursprünger von Halloween und Allerheiligen. Zwischenzeitlich wurde es recht düster und gruselig, besondern an der Wegkreuzung im Wald, unter alten Buchen. Die Menschen aus vergangenen Jahrhunderten begegneten ihren Ahnen einerseits mit Liebe und Respekt, andererseits mit Ehrfurcht und Angst. Wenn ein Mensch gestorben ist, traf man die nötigen Vorkehrungen, damit er den Weg auf die andere Seite fand und niemanden mit sich nahm. Manchmal jedoch kamen sie wieder…

Nach dem Tod wurden die Spiegel verhangen, die Uhren angehalten und die Totenwache mit Holunderblütentee und vielen Tabus belegt, begangen. Der Abtransport der Leiche unterlag strengen Regeln, so musste unbedingt darauf geachtet werden, dass der Tote mit den Füssen zuerst hinausgetragen wurde, da er sonst womöglich wieder zurückkehren konnte. Auf Türschwellen durfte niemals Halt gemacht werden, denn in diesen Zwischenräumen konnte sich die Seele des Verstorbenen möglicherweise verheddern und steckenbleiben. Doch wie kam es zum Glauben an die Wiedergänger, an lebende Tote?

Die Wissenschaft spricht von einem Phänomen, bei dem der Verwesungsprozess eines Leichnams stoppt, wodurch sich unter Ausschluss von Sauerstoff das Hautfett in eine Art Wachs umwandelt. Leichen, die schon längst verwest sein müssten, erscheinen noch „frisch“ im Vergleich zu denen, die den normalen Zerfallsprozess hinter sich haben. Trat nun eine solche Wachsleiche zutage, etwa, weil durch eine Überschwemmung der Sarg wieder zur Oberfläche getrieben wurde, dann stellten die Leute mit Entsetzen fest, dass es sich hier um einen Wiedergänger handeln musste. Ein Wesen, welches die Angehörigen heimsucht, Angst und Schrecken verbreitet und sie sowohl in ihren Träumen verfolgt, als auch in physischer Gestalt quält. IMG_1944

So, wie man keine natürliche Erklärung für eine Wachsleiche fand, hatte man auch keine für ein Kind, das nicht wuchs oder mit einer Behinderung zur Welt kam. Ein Neugeborenes sollte in eine Wiege aus Birkenholz gelegt werden, in welche man 3mal die Berkana Rune ritzte. Dies sollte das Baby vor dem Feenvolk schützen, welches ansonsten eines ihrer Kinder gegen das Menschenkind austauschen und selbiges in ihr Reich entführen würde. Man sprach bei diesen „Feenkindern“ von einem Wechselbalg. Ihr Schicksal war grausam, denn befand man ein Kind für ein Wechselbalg, wurde es ausgesetzt und dem Tode überlassen. Schon kurz nach der Geburt befand die Hebe-Ahnin (heute Hebamme – damals zumeist eine germanische Priesterin) ein Neugeborenes für lebensfähig und hob es auf oder befand es für zu schwach und kränklich, was das Aussetzen zur Folge hatte.

Samhain ist nicht nur Kürbis schnitzen und seichter Spuk. Es ist ein Totenfest. Machen wir nicht den Fehlern, es zu verniedlichen. Um es ganz zu erfahren, sollten wir uns erlauben, in seine dunklen Tiefen einzutauchen und uns gleichsam an seiner wilden Romantik erfreuen. Ich wünsche euch allen ein durch und durch gruseliges, wildes und berührendes Samhain.